Handauflegen

Habe ich eine einem Zug durchgelesen, am Weihnachtstag, was ja sogar ein klein wenig dazu passt, denn die gesamte Geschichte dieses Kurzromans, den man auch eine Novelle nennen könnte, spielt in einer Kirche, das allermeiste während eines einzigen Gottesdienstes, und zwar während eines Gedenkgottesdienstes zu Ehren eines mit 34 Jahren verstorbenen "Masseurs". Könnte man unter britische Skurriliät ablegen, die Geschichte. Und vielen ist auch ausgesprochen skurril, wenn auch kaum mal wirklich lustig, dafür durchgehnd satirisch. Das Problem: Wen nimmt der Autor satirisch aufs Korn? Der Erzähler, der sich an ein paar Stellen sogar in seine Geschichte einmischt, hält sich mit Wertungen völlig zurück. Anfang kann man denken, er würde die Position des beobachtenden vorgesetzten Priesters teilen, dann rückt aber doch der Pfarrer, der den Gedenkgottesdiesnt hält, ins Zentrum. Natürlich wird die laizistische, auf ihr sexuelles Vergnügen fixierte Gesellschaft aufs Korn genommen, die gerne unter den Teppich kehren möchte, das sie diesen "Masseur" bezahlt hat. Wenn das alles wäre, wäre die Geschichte allerdings ungeschickt angelegt. Wieso dann die Konzentration auf die beiden Pfarrer? Wieso der Schluß? Man könnte weite Strecken des Kurzromans auch als Kritik an einer selbst säkularisierten und lasch gewordenen anglikanischen Kirche lesen, könnte behaupten, der Autor sympatisiere mit der Pius-Brüderschaft, kritisiere Kirchenvertreter, denen die alte sakrale Handlung des Handauflegens nur noch als erotische Geste geläufig ist ----- aber vielleicht gehört das alles zur Absicht des Autors, den Leser zu verunsichern.

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